Das Formular der Tauschurkunde im Europäischen vergleich (8. bis 12. Jahrhundert)
Résumé
Der Beitrag stellt auf der Basis der aktuellen Forschung das Formular von Tauschurkunden in Europa zwischen dem 8. und dem 12. Jahrhundert vor. In nahezu allen untersuchten Regionen lässt sich einerseits ein deutlich erkennbares, grundsätzlich befolgtes Formular erkennen ; im gesamten Europa nördlich der Alpen orientierten sich die Urkundenschreiber dabei überwiegend an den frühmittelalterlichen Vorbildern der westfränkischen Formelsammlungen. Andererseits zeigen die starken Variationen im Detail in vielen Urkundenlandschaften, besonders klar erkennbar etwa im Raum um St. Gallen, in Freising und in Katalonien, dass die Schreiber ihre Texte nicht nach schriftlichen Vorlagen stilisierten, sondern sie aus der Erinnerung reproduzieren und, innerhalb des traditionellen Formulars, auch abwechslungsreich formulieren konnten. Der Grund für diese Verfügbarkeit und Reproduzierbarkeit der Texte aus dem Gedächtnis war zweifellos die große Häufigkeit, mit der Tauschgeschäfte stattfanden und zu dokumentieren waren.
Einleitung
Der Tausch insbesondere von Immobilien ist eine der am häufigsten dokumentierten Rechtshandlungen des Mittelalters ; zu Recht hat man von einer « regelrechte(n) Konjunktur des Tauschverhaltens » seit dem frühen Mittelalter gesprochen, bedingt nicht nur, aber doch vor allem durch die Unveräusserbarkeit des Kirchengutes1. Der Gütertausch zwischen Kirchen und Klöstern, aber auch zwischen geistlichen Institutionen und Laien ist für die früh- und hochmittelalterliche Wirtschafts- und Sozialgeschichte von hoher Bedeutung2, eine Bedeutung, die sich in vielen normativen Regelungen zum Tausch widerspiegelt, nicht zuletzt aber auch in der Tatsache, dass sich Vorlagen zur Anfertigung von Tauschurkunden in zahlreichen frühmittelalterlichen Formelbüchern finden.
In den allgemeinen Handbüchern zur Urkundenlehre hat der Tausch trotzdem bislang eher wenig Aufmerksamkeit gefunden. In den älteren Überblickswerken zur Diplomatik wird der Tausch hin und wieder, meist im Zusammenhang mit der Behandlung von Kauf und Schenkung, gestreift3 ; nur selten ist ihm, vor allem von seiten der französischen Forschung, grössere Aufmerksamkeit geschenkt worden4, obwohl etwa in neuester Zeit Reinhard Härtel in seinem Handbuch zur Privaturkunde den Tausch zu den « klassischen » Geschäftsarten zählt5. Dagegen sind in den letzten rund vier Jahrzehnten zahlreiche Einzelstudien zu bestimmten Regionen vorgelegt worden, so insbesondere zu Italien, Bayern und Katalonien, und in neuester Zeit widmen sich viele, wenn auch nicht alle Beiträge eines Sammelbandes zum Tauschakt und zur Tauschurkunde im mittelalterlichen Europa6 auch Fragen des Formulars. Ausser für Ober- und Mittelitalien, Katalonien und Bayern liegen nunmehr auch Untersuchungen für Nordfrankreich und Lotharingien, Westfalen und Thüringen, das Languedoc und das Königreich Asturien-León vor. Die Aufzählung macht deutlich, dass nach wie vor Lücken bestehen, besonders schmerzlich für bedeutende Regionen wie Flandern7, Anjou und Poitou, Burgund8 sowie für die zentrale Region des mittleren Rheingebietes und Hessens mit den Klöstern Lorsch, Fulda und Hersfeld. Dies ist besonders angesichts der hohen Bedeutung dieser Klöster zu bedauern, deren Archive über umfangreiche Bestände an Herrscher-, Papst- und vor allem Privaturkunden von der frühen Karolingerzeit bis ins 12. Jahrhundert verfügen9. Trotzdem lässt sich aufgrund der vorliegenden Untersuchungen zwar kein vollständiger, aber doch ein zufriedenstellender Überblick über das Formular der Tauschurkunde in weiten Teilen Europas geben.
Im folgenden sollen zunächst kurz die normativen Regeln der Spätantike und des frühen Mittelalters vorgestellt werden, sodann die in den Formelsammlungen verzeichneten Tauschurkunden, bevor auf das Formular der Tauschurkunden in den europäischen Regionen eingegangen wird. Abschliessend sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Tauschurkundenformulars im europäischen Vergleich vorgestellt werden.
I. Normative Quellen
In den frühmittelalterlichen Rechtsquellen begegnet das Thema Tausch hauptsächlich in zwei thematischen Zusammenhängen : zum einen in Bezug auf die Frage der Rechtsgültigkeit von Tauschgeschäften, zum anderen in Verbindung mit dem Gebot der Unveräusserlichkeit der kirchlichen Besitzungen, in dessen Folge sich der Tausch für Gütertransaktionen durch Kirchen und Klöster anbot.
In der römischen Antike gab es zwei unterschiedliche Haltungen zum Tausch : Entweder betrachtete man ihn als eine Sonderform des Kaufes, oder man schätzte Kauf und Tausch als zwei grundsätzlich voneinander zu trennende Rechtsformen ein. Im klassischen römischen Recht setzte sich die letztere Haltung durch, was insbesondere für die Rechtsgültigkeit des Geschäftes von Belang war ; demnach waren die im Rahmen eines Tauschvertrages vereinbarten Bedingungen nicht einklagbar10. Die normativen Texte des frühen Mittelalters nehmen eine grundsätzlich andere Haltung ein11 : Sie setzen den Tausch in seiner Rechtskraft dem Kauf gleich. So findet es sich im Codex Euricianus, aufgezeichnet im westgotischen Südgallien Ende des 5. Jahrhunderts12, ganz ähnlich in der um das Jahr 500 im Rhônegebiet für die Romanen des Burgunderreiches aufgezeichneten Lex Romana Burgundionum13, ebenso in der Lex Visigothorum14. Auch in der Lex Baiwariorum aus dem 7. oder 8. Jahrhundert wird der Tausch den Verkäufen zugeordnet und in Bezug auf die Rechtsgültigkeit ausdrücklich dem Kauf gleichgesetzt15. Für Tauschakte, an denen kirchliche Institutionen beteiligt waren – und das war die bei weitem überwiegende Mehrheit der mittelalterlichen Tauschakte überhaupt –, war die schriftliche Dokumentation des Rechtaktes ein zentrales Erfordernis. Zudem musste der Tausch der beteiligten kirchlichen Einrichtung Vorteile bringen ; nur dann war eine normalerweise untersagte Veräusserung von Kirchengut gestattet. « Consensus, utilitas, necessitas und ratio sowie Schrift und Eid sollten (…) nach Aussage der normativen Texte einen ausnahmsweisen Tausch von Kirchengut legitimieren »16.
II. Die Tauschurkunde in den Formelsammlungen
Die grosse Bedeutung der Tauschurkunde für das frühe Mittelalter zeigt sich unter anderem darin, dass in den Formelsammlungen des frühen Mittelalters regelmässig Vorlagen für Tauschurkunden enthalten sind17 ; so gibt es eine Tauschurkundenvorlage in den Formulae Andecavenses18, drei in den Marculfschen Formeln19, zwei in den Formulae Visigothicae20, jeweils eine in den Formulae Salicae Lindenbrogianae21, den Formulae Turonenses22, den Formulae Bituricenses23, den Formulae Senonenses24, den Formulae Salicae Merkelianae25, den Formulae Argentinensis26 und den Formulae Augienses27 sowie vier bzw. fünf in den Sankt Galler Formelsammlungen28. Auch die Formulae imperiales enthalten zwei einschlägige Vorlagen, eine für eine königliche Betätigung eines Tausches und eine weitere für einen Tausch zwischen dem Herrscher und einem Kloster29, und schliesslich findet sich ein Formular einer Tauschurkunde in einer katalanischen Formelsammlung des 10. Jahrhunderts30.
Sehen wir uns diese Texte näher an, so ist zunächst festzustellen, dass es sich überwiegend um Urkunden in der Form der Notitia handelt und dass sie objektiv und im Imperfekt oder Perfekt formuliert sind31. Einige dieser Formeln wechseln allerdings am Ende der Dispositio, konkret bei den Bestimmungen im Falle der Übertretung der Vereinbarungen, in eine subjektive Formulierung, oft nur mit einer einzigen Wendung32. Nicht in Form der Notitia gefasst sind dagegen die Urkunden mit königlicher Beteiligung, die, wenn der König einer der Tauschpartner ist, die Form der Carta aufweisen33 bzw. dem üblichen Formular der Herrscherurkunde folgen, wenn der Herrscher die Tauschgeschäfte bestätigt34. In Form der Carta verfasst sind zudem die Tauschvorlage in den Formulae Augienses, zwei der Vorlagen aus den St. Gallener Sammlungen, die beiden Texte in den Formulae Visigothicae sowie die katalanische Formel35 ; sie sind also subjektiv formuliert (inter nos conplacuit…, quod et ita fecimus…, ego tibi dedi…).
Einigen Texten fehlt eine Arenga36 ; in den Marculfschen Formeln und den davon abhängigen Sammlungen kommt die Arenga nihil sibi quisque cernitur minuendo, quicquid econtra recepitur in augmentum oder ähnlich vor37. Arengen, die auf die Notwendigkeit der Schriftform38 oder der Überlieferung an die Nachwelt verweisen39, erscheinen in den St. Galler Formelsammlungen und in den Formulae Visigothicae. In keinem Fall jedoch begegnet in diesen Formeln, auch nicht in denen der Formulae Visigothicae oder in der katalanischen Formel, die später im südlichen Europa so häufige Arenga, die den Tausch direkt mit dem Kauf vergleicht. Zwar spiegelt sich die von den normativen Quellen vorgenommene Gleichsetzung des Tausches mit dem Kauf, zumindest was seine Rechtsverbindlichkeit angeht, in den Formelsammlungen des frühen Mittelalters wider40, jedoch wird in den Arengen darauf nicht ausdrücklich Bezug genommen.
Typisch ist das Einsetzen der Dispositio mit der Wendung placuit et convenit inter… ut inter se concammiare deberint… ita fecerunt41, gefolgt von der mit den Worten dedit eingeleiteten Nennung des einen Tauschpartners und seines Tauschgutes, sodann von der Wendung similiter dedit und der Nennung des anderen Partners und seines Gutes. Danach wird die volle Verfügungsgewalt der Partner über die eingetauschten Güter betont und eine Geldstrafe für etwaige Verletzung der Vereinbarungen festgelegt, beides in stärker voneinander abweichenden Formulierungen. Betont wird schliesslich in vielen Beispielen, dass über die Einigung zwei Urkunden gleichen Wortlauts hergestellt wurden, etwa in der Form conmutacio, unde duas inter se uno tinore conscribserunt42 oder has duas epistolas uno tenore conscriptas inter se43 ; die herrscherlichen Bestätigungen von Tauschurkunden erwähnen dieses Vorgehen ebenfalls ausdrücklich44. Wohl kaum Zufall ist es, dass sich die Erwähnung dieser Praxis in den in der Form der Carta gefassten Beispielen45 nicht findet. Hier sei eines der Ergebnisse der Untersuchungen der regionalen Urkundenpraxis vorweggenommen : Generell scheint es so zu sein, dass in den in Form der Carta abgefassten Urkunden, etwa in der Toskana oder in Venedig, aber auch in anderen Regionen, nicht zwei gleichlautende Urkundentexte für die Tauschpartner ausgestellt wurden, sondern « spiegelbildlich » formulierte, « actes en miroir », um einen von Emmanuel Huertas geprägten Begriff46 zu verwenden47. Aufgrund der subjektiv formulierten dispositiven Wendungen dieser Urkunden mussten die Urkundenpaare notwendig unterschiedlich sein und konnten nicht ein und denselben Wortlaut aufweisen. Anstelle des allerdings sehr anschaulichen und einprägsamen Begriffs der « spiegelbildlich » formulierten Urkunden, der « actes en miroir », möchte ich den präziser den Sachverhalt treffenden Begriff der « reziprok » formulierten Urkunden verwenden.
In den Formulae imperiales werden ausdrücklich auch Aktivitäten von boni homines erwähnt, die ausser den Tauschpartnern selbst am Tauschakt beteiligt sind48, aber in den sonstigen Beispielen aus den Formelsammlungen nicht genannt werden.
Bis auf die Formeln von der Iberischen Halbinsel und einigen aus dem alemannischen Gebiet sind sich die Texte der Tauschurkunden in den Formelsammlungen in ihrer Struktur sehr ähnlich, wenn sie auch im Wortlaut voneinander abweichen : Charakteristisch ist die Form der Notitia mit objektiv formuliertem und in einer Vergangenheitsform gehaltenem Bericht über die Rechtshandlung, eingeleitet von der Wendung placuit atque convenit inter… quod et ita fecerunt, zudem die Verwendung einer Schriftlichkeitsarenga und schliesslich der Hinweis, dass zwei gleichlautende Urkunden über den Vorgang ausgestellt worden seien. Die in der Form der Carta gehaltenen Vorlagen weisen zwar ebenfalls Schriftlichkeitsarengen auf, ihnen fehlt jedoch der Hinweis auf die Ausstellung zweier wortgleicher Urkunden.
Wenn wir uns nun den einzelnen europäischen Regionen und dem Formular ihrer Tauschurkunden zuwenden, müssen wir uns überwiegend auf die bereits zu diesem Thema vorliegenden Untersuchungen stützen ; eigene Forschungen waren nur im Ausnahmefall möglich.
III. Westfrankenreich und Frankreich
In Nordfrankreich gibt es im 10. und 11. Jahrhundert nur einen geringen Urkundenbestand ; an den wenigen Beispielen lässt sich jedoch feststellen, dass es im 10. Jahrhundert zwar kein festes Schema zur Abfassung von Tauschurkunden gab, dass sich aber noch Reminiszenzen an die frühmittelalterlichen Formulare finden lassen, etwa in der Verwendung von Schriftlichkeitsarengen49. Die Überlieferungszahlen nehmen erst im 12. Jahrhundert zu ; aber in dieser Zeit ist der Anteil an Tauschurkunden gering, wenn auch durch die übrigen Urkundentexte klar wird, dass Tauschakte weiterhin praktiziert wurden : Bei Besitztransaktionen wird das Recht auf Tausch der Besitztümer jeweils vermerkt. Die wenigen erhaltenen Tauschurkunden zeigen, dass kein festes Formular für diesen Rechtsakt mehr befolgt wurde ; allenfalls fällt auf, dass sie häufig in Form von Chirographen ausgestellt wurden50.
Die Untersuchung von Tauschurkunden in Lotharingien, genauer gesagt im Gebiet der Diözesen Utrecht, Lüttich, Verdun, Toul, Metz, Trier und Köln, bis zum Jahr 110051 hat ergeben, dass auch hier Schriftlichkeitsarengen weit verbreitet waren. Daneben lässt sich der Einfluss der Marculfschen Formeln nachweisen, etwa in den Tauschurkunden der Bischöfe von Verdun52. Insbesondere die Urkunden des Klosters Gorze folgten seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts einem einheitlichen Formular, das mit einer Schriftlichkeitsarenga einsetzte und dessen Dispositio mit der verbreiteten Wendung placuit et / atque convenit inter begann53 ; der Einfluss der Marculfschen Formeln oder derjenigen der Formulae Lindenbrogianae ist hier deutlich zu erkennen54. Der Hinweis auf zwei textgleich ausgestellte Urkunden ist auch hier zu finden, etwa in einer Urkunde des Klosters Saint-Èvre zu Toul von 942 (commutationes sub duo testamentis pari tenore conscripta)55. Seit dem zweiten Viertel des 10. Jahrhunderts wurden Tauschurkunden wie bilaterale Grundstücksgeschäfte überhaupt zunehmend in Form von Chirographen bzw. Teilurkunden ausgestellt56.
Für Prüm ist die Benutzung der Marculfschen Formeln für Tauschurkunden bis zum Ende des 9. Jahrhunderts nachzuweisen57.
Das Erscheinungsbild der Tauschurkunden des Languedoc58 unterscheidet sich deutlich von denjenigen im Norden Frankreichs und Lotharingien. Hier findet sich, wie auch auf der Iberischen Halbinsel und in Italien59, in den Arengen häufig ein Bezug auf die Bestimmung der normativen Quellen, die den Tausch in seiner rechtlichen Verbindlichkeit mit dem Kauf gleichsetzt60, am häufigsten in der Form qualis est emptio, talis et commutatio ; emptio et commutatio simul obtineant firmitatem61, jedenfalls bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts ; danach geht der Gebrauch der Formel nach den Untersuchungen von U. Vones-Liebenstein zurück62. Daneben treten auch Schriftlichkeitsarengen auf63.
IV. Ostfrankenreich und Deutsches Reich
In Bayern bzw. im süddeutsch-österreichischen Raum64 war der Tausch im frühen Mittelalter eine der häufigsten Formen der Besitztransaktion. Für das 8. Jahrhundert sind allerdings relativ wenige Tauschurkunden überliefert ; die Zahl der dokumentierten Tauschakte nimmt erst im Laufe des 9. Jahrhunderts zu65. Bemerkenswert ist die Anlage von eigenen, ausschliesslich Tauschgeschäften gewidmeten Traditionsbüchern, die die auch quantitative Relevanz dieses Geschäfts und eben auch der Urkunden, in diesem Fall in Form der Traditionsnotiz, erkennen lassen.
Die Urkundentexte sind anders als bei Schenkungsurkunden überwiegend knapp ; Arengen sind selten66. Bereits Fichtenau hat darauf hingewiesen, dass etwa die Tauschurkunden der Salzburger Traditionsbücher sich an den Formulae Lindenbrogianae orientierten67, ebenso diejenigen in Brixen und Freising68, und auch für Mondsee hat man solche Zusammenhänge nachweisen können69. Die grosse Variationsbreite der Formulierungen hat Geneviève Bührer-Thierry für Freising betont und vermutet, dass es kein striktes Formular gab, dem die Schreiber folgten70 ; unübersehbar ist aber in allen angeführten Beispielen die Abhängigkeit von den Formulae Lindenbrogianae71 : Der Text wird objektiv formuliert, beginnt mit der Wendung placuit atque convenit inter…, ut… pro communi utilitate et compendio inter se commutare deberent quod ita et fecerunt. Es folgt die Nennung der Tauschpartner und der entsprechenden Güter, eingeleitet mit der Formel Dedit itaque ; die Ausstellung zweier Urkunden pari tenore wird betont, die Rechtsgültigkeit der Vereinbarungen auch bei Verstoss gegen die Bestimmungen, und auch die Wendung presens commutatio omni tempore firma permaneat cum stipulatione subnixa in der Freisinger Urkunde findet ihr Vorbild in der Formulierung presentes commutationes… firme et stabiles permaneant, cum stipulatione interposita diuturno tempore maneant inconvulsa der Formulae Lindenbrogianae Nr. 5.
In Alemannien nahm um die Mitte des 9. Jahrhunderts der Tausch, « dessen Motiv […] die Abrundung des Besitzes war », im Vergleich zu anderen Erwerbsmöglichkeiten deutlich zu72. Dies fügt sich in einen rechtlich-diplomatischen Komplex ein, der auch die Gestaltung anderer Urkunden – z. B. Vereinbarungen in Form von Schenkungen – prägt73. Terminologie und Formular der Tauschurkunden in Alemannien und besonders derjenigen des Klosters St. Gallen74 sind in den St. Galler Urkunden inhaltlich ausgesprochen homogen, bei gleichzeitiger ständiger Variation des Wortlauts. Typisch für die Tauschurkunden sind Arengen, die mit jeweils leicht abgewandeltem Wortlaut durchweg Schriftlichkeitsarengen sind, also betonen, dass solche Verträge zur Vermeidung späterer Streitigkeiten schriftlich festgehalten werden sollen. Anderslautende Arengen treten dagegen selten auf. Grossen Wert legten die Tauschpartner darauf, die Gültigkeit des Geschäfts und die jeweils übertragene Verfügungsgewalt zu dokumentieren. Die Sanctio sah zumeist eine Geldstrafe vor. Die Nähe der Urkundentexte zu den Beispielen aus den Sankt-Galler Formelsammlungen, insbesondere zu Formulae Sangallenses miscellaneae, Nr. 20, ist evident75. Zumeist scheinen die Urkunden in ihrem objektiv und im Perfekt formulierten Text eher diesem Modell zu folgen. Ausnahmen gibt es jedoch : So wurde eine Urkunde von 83976 in Form einer Carta abgefasst, mit subjektiv formulierten, teils im Präsens, teils im Perfekt gehaltenen Sätzen (igitur ego Patacho et Sigibret conplacuit atque convenit nos…, quod nos donamus in concambium…) ; unterfertigt wurde die Urkunde von den Tauschpartnern des Klosters St. Gallen, aufbewahrt im Archiv des Klosters. Der Gedanke liegt nahe, dass es sich hier um einen Fall einer reziproken Urkundenausstellung handeln könnte, in dem nur eine der beiden ursprünglich ausgestellten Urkunden, die nicht uno tenore, sondern « spiegelbildlich » formuliert waren, sich erhalten hat ; in den Formelsammlungen der Region war dieses Modell ja ebenso vorgesehen wie die üblichere Form77.
Tauschurkunden in Westfalen sind selten78. Die beiden ältesten überlieferten von 799 finden sich im Werdener Traditionscodex ; sie weisen ein übereinstimmendes, jedoch eigenständiges Formular auf ; eine Arenga fehlt79. Zwei weitere aus dem 9. Jahrhundert stammende Urkunden orientierten sich, wie schon Zatschek80 und Blok81 nachgewiesen haben, an den Formulae Salicae Lindenbrogianae, deren Kenntnis vielleicht durch Bischof Hildegrim von Châlons, dem Bruder Abt Liudgers von Werden, vermittelt worden war82.
Auch die Tauschurkunden in den Corveyer Traditionen, die wie alle Corveyer Urkunden dieser Zeit in die Form der Notitia gefasst sind83, greifen auf Texte der westfränkischen Formelsammlungen zurück84. Aus ottonischer Zeit sind aus Westfalen keine Privaturkunden, die Tauschgeschäfte dokumentieren, mehr überliefert, sondern lediglich Herrscherurkunden, und auch aus der nachottonischen Zeit gibt es nur wenige Belege, die in Bezug auf die Frage des Formulars zudem nicht aussagekräftig sind85.
In Thüringen, wo Untersuchungen der Tauschurkunden des 12. Jahrhunderts vorliegen86, hat es in dieser Zeit allem Anschein nach kein eigenes Formular für Tauschurkunden gegeben87.
V. Iberische Halbinsel
In Katalonien fand das in der Formelsammlung des Klosters Santa María de Ripoll enthaltene Formular einer Tauschurkunde88 weite Verbreitung ; aufgezeichnet im letzten Drittel des 10. Jahrhunderts, wurde es auch das ganze 11. Jahrhundert hindurch benutzt89. Es ist in subjektiver Form abgefasst und betont in der Arenga, unter Berufung auf alte Gesetze (est in antiquis regulis statutum et in Gotorum legibus est decretum), die Notwendigkeit der schriftlichen Fassung für ein Tauschgeschäft ; dementsprechend herrschen in Katalonien offenbar ebenfalls die reziprok oder spiegelbildlich formulierten Tauschurkunden vor. Die äusserst knapp gefasste Formel des späten 10. Jahrhunderts verwendeten zahlreiche Tauschurkunden der Region als Arenga90. Dass mit den Gotorum leges die Lex Visigothorum gemeint war, wie vermutet wird91, liegt nahe, ebenso, dass man sich konkret auf die Passagen bezog, die den Tausch in seiner Verbindlichkeit dem Kauf gleichsetzen92, denn in den Urkunden, die das Formular oder eine Abwandlung davon als Arenga verwendeten, wird genau dieser Zusammenhang hergestellt, allerdings nicht in einer relativ feststehenden Formel, sondern in vielfältigen Variationen, etwa in einer Urkunde von 988 Juli 11 : Vox legum iure decrevit auctoritas, ut qualis sit empcio talis sit et comutacio. Empcio namque et comutacio, sicut iam dudum in antiquis temporibus est roboratum et in Gotorum legibus decretum est, equalem habeat firmitatem sicut et empcio93. Auf die Arenga folgt die Dispositio etwa in der Form Ego… commutator sum tibi… Certum quidem manifestum est enim quia placuit animis meis et placet ut inter nos commutacionem fecissemus, oder : com[m]utatores sumus… Certum quidem et manifestum est enim qualiter convenit nobis, ut inter nos com[m]utacionem fecissemus, sicuti et facimus94. Auf die Fassung in Form der Carta95 und die daraus folgende Art der Ausfertigung in zwei reziprok formulierten Exemplaren wurde bereits hingewiesen ; eine Tauschurkunde des Bischofs Vigo von Girona von 936 formuliert diese Tatsache ausdrücklich und beschreibt den Sachverhalt sehr anschaulich : Ex ac autem commutationem duas scripturas fieri iussimus de quibus unam uobis nostra manu, clericorum nostrorum firmatam, tradimus et aliam uero nobis, uel ceterorum bonorum homin[um] roborata, a uobis recepimus96.
Im gesamten ausgedehnten Gebiet des Königreichs Asturien-León waren sich die Tauschurkunden vom 8. bis zum Ende des 10. Jahrhunderts sehr ähnlich97 : In Form der Carta subjektiv formuliert98, fehlt auch ihnen der sonst verbreitete Hinweis auf die Ausstellung zweier Urkunden uno tenore ; vielmehr gibt es Indizien, dass zwei reziprok formulierte Urkunden ausgestellt und ausgetauscht wurden. Die Urkunden tragen keine Arenga. Ein Vergleich zwischen Kauf und Tausch oder eine Gleichsetzung der Rechtsgültigkeit beider Geschäftsarten fehlt99. Generell lässt sich in den frühmittelalterlichen Urkunden der Regionen Asturien und León eine Benutzung der Formulae Visigothicae feststellen100 ; vielleicht gilt das auch für die Tauschurkunden.
VI. Italien
Die eingehendsten Untersuchungen zur Tauschurkunde und ihrem Formular liegen für Italien vor. Hier hat G. Vismara eine umfassende Untersuchung des Tauschs im frühen Mittelalter vorgelegt, publiziert zuerst 1980101 ; er behandelt den Ablauf der Rechtshandlungen und widmet sich intensiv dem Formular der Tauschurkunden vor allem in Ober- und Mittelitalien, aber auch in Apulien sowie Rom, Neapel, Ravenna und Gaeta bis zum Ende des 10. Jahrhunderts, auch in seiner historischen Entwicklung. Zudem sind die Beiträge von François Bougard102 zu Italien allgemein, von Cristina Mantegna103 zu den langobardischen Gebieten in der Zeit der Karolinger, von Marco Stoffella zur westlichen Toskana104, von Emmanuel Huertas speziell zur Region Lucca105 und von Irmgard Fees zu Venedig und dem Veneto106 heranzuziehen.
Aus Italien haben sich bekanntlich keine frühmittelalterlichen Formelsammlungen erhalten, auf die sich Tabellionen oder Notare bei der Formulierung der Urkundentexte stützten. Auffallend ist unter diesen Umständen, dass sich das Formular der Tauschurkunde seit dem 8. Jahrhundert relativ rasch verfestigte und sich in seinen Grundzügen bis in das 11. Jahrhundert kaum veränderte107. Im Italien nördlich des Apennin – mit Ausnahme Venedigs108 – sind die Urkundentext objektiv, südlich des Apennin dagegen subjektiv formuliert109. Dem entspricht, dass in der Lombardei, im Piemont und im Veneto üblicherweise zwei im Text übereinstimmende Urkunden für die Tauschpartner ausgestellt wurden, der Urkundentext dies auch ausdrücklich vermerkte und dabei mit dem Ausdruck due cartule comutacionis uno tenore oder ähnlichen Wendungen110 Formulierungen wählte, die denen der fränkischen Formelsammlungen genau entsprechen111. Diese Vermerke finden sich bereits im 8. Jahrhundert im langobardischen Reich, im 9. und 10. Jahrhundert im westlichen Oberitalien und nehmen seit der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts dort leicht ab112. Im Veneto treten sie später auf ; so wird die Wendung in Padua im 11. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts am Schluss des Kontextes plaziert, wandert im Laufe des 12. Jahrhunderts in die Unterfertigungsformel des Schreibers und Notars und scheint gegen Ende des Jahrhunderts häufig ganz zu fehlen. In Verona findet sich die Formel im 9., 10. und in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts nicht ; sie erscheint erst in den letzten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts, wie in Padua am Ende des Kontextes eingeordnet, wird in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in nahezu allen Tauschurkunden verwendet, tritt um die Mitte des Jahrhunderts zuweilen in der Notarsunterfertigung auf, scheint aber dann immer weniger Anwendung zu finden113. Ob das einer Änderung der Praxis entspricht oder ob man es nur nicht mehr für notwendig hielt, auf eine selbstverständliche Tatsache hinzuweisen, ist unklar. – Südlich des Apennin sowie in venezianischem Gebiet dagegen findet sich die Formel nicht, da hier nicht zwei im Text übereinstimmende Urkundentexte für die Tauschpartner ausgestellt wurden, sondern die Partner sich vielmehr gegenseitig Urkunden ausstellten. Zu jedem Tauschakt wurden also zwei reziprok formulierte Urkunden ausgefertigt, die sich dadurch voneinander unterschieden, dass in einer der Urkunden der Tauschpartner A als Aussteller, sein Partner B als Empfänger erschien, während es in der anderen umgekehrt war. Die durch A ausgestellte und unterfertigte Urkunde wurde B übergeben, die durch B ausgestellte und unterfertigte Urkunde erhielt dagegen der Partner A114.
Die typische Arenga im Piemont und dem grössten Teil der Lombardei betont die Tatsache, dass der Tausch die Partner ebenso binde wie der Kauf (Comutatio bone fidei noscitur esse contractum [contractus], ut vicem emptionis optineat firmitatem eodemque nexu obligat contrahentes) und geht damit auf eine Konstitution des Codex Iustinianus115 zurück. Sie ist vom Ende des 8. Jahrhunderts an belegt und unterliegt bis einschliesslich des 12. Jahrhunderts keiner Veränderung. Seit dem 10. Jahrhundert tritt sie auch in Padua auf, seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Verona116. Wenn sonst Arengen in italienischen Tauschurkunden vorkommen, handelt es sich um Schriftlichkeitsarengen117, die betonen, dass eine schriftliche Fassung der Übereinkunft wünschenswert sei, da sie dem Vergessen und möglichem künftigen Streit entgegenwirke. Solche Arengen sind in Rom, Farfa, Ravenna, Bologna, Neapel118 sowie in Venedig und seiner Lagune belegt119. In den übrigen Regionen Italiens kommen Arengen in Tauschurkunden dagegen nicht vor120.
Die Dispositio beginnt mit den Worten placuit atque (bona voluntate) convenit inter… nec non et inter, ut commutationem facere deberent, quod ita fecerunt, gebraucht also wiederum Wendungen, die sich wortgleich oder annähernd wortgleich in den fränkischen Formelsammlungen finden121 . Die darauffolgende Nennung und Beschreibung der Tauschobjekte setzt ein mit dedit in primis… unde ad vicem recepit…. Es folgt eine Beschreibung der Werteinschätzung der getauschten Güter, die durch boni homines, sogenannte extimatores / estimatores, erfolgte. Häufig finden sich an der Seite der extimatores auch einer oder mehrere missi, die den Bischof vertreten, wenn es sich um die Güter einer Kirche handelt, oder den Abt und die Äbtissin, wenn die Güter einem Kloster gehören. Die Formel, die die Teilnahme der missi und der extimatores ankündigt, beginnt üblicherweise mit der Erklärung : quidem et ut ordo legis depossit, ad hanc previdendam comutacionem accesserunt… Weitere Formulierungen bekräftigen, dass die zum Vorteil der Kirche oder des Klosters durch die extimatores vorgenommene Bewertung einen notwendigen Bestandteil für die Gültigkeit des Tauschgeschäfts überhaupt darstellt, etwa quidem et ut lex continet textus, et ad hanc previdendam comutacionem accesserunt. Wenn der Tausch zwischen Kirchen und Klöstern erfolgt, erklären missi und extimatores, die Gleichwertigkeit der getauschten Güter geprüft zu haben (extimaverunt eo quod ipsis comutatores bene et apta causa inter se ad invicem darent et receperent), und lassen den Schluss folgen, dass der Tausch den Gesetzen entspreche : et ac comutacione istas bene et legibus fieri posset… Lediglich in Venedig und seinem Gebiet scheint diese Praxis der Begleitung der Rechtshandlung durch missi der beteiligten Parteien und boni homines aus der Umgebung keine Anwendung gefunden zu haben122.
Schliesslich verpflichten sich die Tauschpartner, die vereinbarten Punkte einzuhalten und den Tausch gegen Eingriffe jeglicher Art zu schützen. Für den Fall des Vertragsbruchs wird eine Geldstrafe vereinbart, zumeist die pena dupla. Eine solche eine Geldzahlung vorsehende Sanctio ist ebenfalls ein Element, das aus den nördlich der Alpen verbreiteten Urkundenformularen übernommen wurde123.
VII. Die herrscherlichen Tauschbestätigungen
Mit den Königs- und Kaiserurkunden, die Tauschgeschäfte bestätigen, hat sich in einem grundlegenden Beitrag Philippe Depreux befasst ; neben der Analyse von Ursachen und Praxis des Tauschaktes hat er sich insbesondere dem Formular der herrscherlichen Bestätigungen gewidmet und dabei das besonders gleichförmige und stabile Formular dieser Urkunden betont124. Seinen Befunden ist wenig hinzuzufügen. Die Marculfschen Formeln enthalten ein Beispiel für eine Tauschurkunde mit Beteiligung des Königs125, und in den Formulae imperiales liegen zwei Entwürfe für herrscherliche Tauschbestätigungen vor126. Die tatsächlich ausgestellten Urkunden sind sehr zahlreich ; Depreux konnte hundert Beispiele allein aus dem 9. und 10. Jahrhundert nachweisen, und offensichtlich erhielt jeder der Tauschpartner eine eigene Bestätigung des Herrschers127. Die Ursachen für die hohe quantitative Bedeutung der Stücke ist in der Tatsache zu suchen, dass seit dem 9. Jahrhundert und entsprechenden Bestimmungen durch Ludwig den Frommen Tauschgeschäfte, die Kirchengut betrafen, ohne königliche Bestätigung Gefahr liefen, für ungültig erklärt zu werden128, bzw. seit der Zeit Karls des Kahlen im Westfrankenreich grundsätzlich untersagt waren129.
VIII. Der Tausch in Papsturkunden
Tauschbestätigungen durch Päpste kommen vor, spielen jedoch eine bei weitem geringere Rolle als die königlichen und kaiserlichen Bestätigungen. Eine päpstliche Bestätigung von Tauschvorgängen erfolgte zumeist im Rahmen von allgemeinen, umfassenden Bestätigungen von Recht und Besitz der Empfänger130 ; einem festen Formular folgten diese päpstlichen Bestätigungen zumindest bis zum Ende des 12. Jahrhunderts nicht. Auch Tauschgeschäfte, die die Päpste selbst tätigten, sind in geringem Masse bezeugt ; entsprechende Tauschurkunden sind aber selten erhalten131.
Fazit
In nahezu dem gesamten Europa nördlich der Alpen folgten die Tauschurkunden in ihrem Formular weitgehend, wenn auch zuweilen variantenreich, den frühmittelalterlichen Vorbildern der westfränkischen Formelsammlungen, besonders stark den Formulae Salicae Lindenbrogianae. Das bedeutet konkret, dass in den Regionen des nördlichen Frankreichs, in Lotharingien, in Westfalen und im gesamten bayrisch-österreichischen Raum die Urkunden in der Form der Notitia formuliert sind, also objektiv und in einer Vergangenheitsform, dass sie entweder gar keine oder aber eine Schriftlichkeitsarenga aufweisen und dass sie betonen, zwei wörtlich gleichlautende Urkunden seien über den Vorgang ausgestellt worden. Auch in das Languedoc haben solche Formen in geringem Masse Eingang gefunden. Abweichungen von diesem Muster scheint es lediglich in St. Gallen und im alemannischen Raum gegeben zu haben, wo die Formelsammlungen auch Tauschurkunden in Form der Carta aufweisen und wo einzelne Beispiele auftreten, die diesem Vorbild folgten ; es blieben jedoch offensichtlich Einzelfälle.
Das Beispiel Thüringen zeigt, dass durchaus nicht überall Tauschurkunden nach einem gesonderten Formular stilisiert wurden. Ob Thüringen eine Ausnahme darstellt oder ob Ähnliches für andere europäische Regionen gilt, kann nach dem derzeitigen Stand der Forschung nicht beantwortet werden.
Die Tauschurkunden im südeuropäischen Raum, konkret in Katalonien und in Italien, weisen in ihrer Mehrzahl eine charakteristische Gemeinsamkeit auf, die von den nordeuropäischen Urkundentexten deutlich abweicht : den Hinweis in der Arenga, dass dem Tausch dieselbe Rechtsgültigkeit zukomme wie dem Kauf. Damit nehmen sie Bezug auf eine auf den Codex Iustinianus zurückgehende und in mehreren Volksrechten enthaltene Bestimmung. In Katalonien wurden Arengen diesen Inhalts sehr variantenreich und somit vermutlich von den Schreibern nach dem Gedächtnis formuliert ; solche Arengen fehlen aber in den Beispielen, die aus Asturien-León bekannt sind.
Allgemein wurden Tauschurkunden in Katalonien wie in Asturien-León in Form der Carta ausgestellt ; wohl demzufolge fehlt der für die nordeuropäischen Urkunden so charakteristische Hinweis auf die Ausstellung von zwei Exemplaren uno tenore.
Auf der italienischen Halbinsel treten die Arengen, die Kauf und Tausch miteinander vergleichen, ebenfalls überaus häufig auf, nämlich im ganzen nördlichen Italien ausser Venedig ; jedoch erscheinen sie hier mit ausserordentlich festen, geradezu stereotypen Formulierungen. Daneben finden sich Schriftlichkeitsarengen, so in Venedig, Ravenna, Bologna, Farfa und Neapel, und nicht selten weisen die italienischen Tauschurkunden gar keine Arenga auf.
Im gesamten Italien nördlich des Apennin, mit Ausnahme Venedigs, wurden Tauschurkunden in die Form der Notitia gefasst, im gesamten Raum südlich des Apennin und in Venedig dagegen in die Form der Carta. Folgerichtig weisen die Urkunden der nördlichen Regionen – ausser Venedigs – den Hinweis auf die Ausstellung zweier gleichlautender Urkunden auf ; in den südlichen Regionen sowie in Venedig wurden dagegen zwei reziprok formulierte Urkunden über jedes Tauschgeschäft ausgestellt. Die beiden Gruppen, die sich in Bezug auf die Tauschurkunden feststellen lassen, gehen allem Anschein nach auf die bereits von Cristina Mantegna beschriebenen « Urkundenlandschaften » zurück, deren Grenze der toskanisch-emilianische Apennin bildete132. Die Regionen nördlich dieser gedachten Linie sind von einer stärkeren Aufnahme von Anregungen nordalpinen Ursprungs auch im Bereich der Privaturkunde gekennzeichnet, einem « intricato intreccio di romanità e germanismo »133, während die südlichen Regionen weniger stark beeinflusst erscheinen.
In nahezu allen untersuchten Regionen lässt sich einerseits ein deutlich erkennbares, grundsätzlich befolgtes Formular erkennen ; andererseits zeigen die starken Variationen im Detail in vielen Urkundenlandschaften, besonders klar erkennbar etwa im Raum um St. Gallen, in Freising und in Katalonien, dass die Schreiber ihre Texte nicht nach schriftlichen Vorlagen stilisierten, sondern sie aus der Erinnerung reproduzieren und, innerhalb des traditionellen Formulars, auch abwechslungsreich formulieren konnten. Der Grund für diese Verfügbarkeit und Reproduzierbarkeit der Texte aus dem Gedächtnis war zweifellos die große Häufigkeit, mit der Tauschgeschäfte stattfanden und zu dokumentieren waren.